Der Krater Giordano Bruno und die
Beobachtung des Jahres 1178

www.mondatlas.de

Version 29. Dezember 2001 von Alexander Grüner


1178

Im Jahre 1178 n. Chr. beobachteten fünf Männer in England eine "Explosion" auf dem Mond. In den Chroniken beschreibt dies Gervase von Canterbury (englischer Geschichtsschreiber, ca. 1141-1210) so: 

"In this year, on the Sunday before the feast of St John the Baptist [June 18th, 1178], after sunset when the Moon had just become visible, a marvelous phenomenon was witnessed by some five or more men who were siting facing the Moon. Now there was a bright new Moon, and as usual in that phase its horns were tilted toward the east; and suddenly the upper horn split in two. From the midpoint in the division a flaming torch sprang up, spewing out, over considerable distance, fire, hot coals, and sparks. Meanwhile the body of the Moon which was below writhed, as it were, in anxiety, and to put it in the words of those who reported it to me, and saw it with their own eyes, the Moon throbbed like a wounded snake. Afterwards it assumed its proper state. This phenomenon was repeated a dozen times or more, the flame assuming various twisted shapes and then returning to normal. Then, after these transformations, the Moon from horn to horn, along its whole length, took on a blackish appearance. The present writer was given this report by men who saw it with their own eyes, and are prepared to stake their honor on an oath that they have made no additions or falsifications in the above narrative." 

Eine kurze Übersetzung ins Deutsche besagt:

"In diesem Jahr, am Sonntag vor dem Fest Johannes des Täufers [18. Juni 1178], nach Sonnenuntergang, gerade als des Mondes erste feine Sichel sichtbar war, wurden fünf oder mehr Männer Zeugen eines phantastischen Ereignisses. Wie immer zur Zeit kurz nach Neumond zeigten die Enden der Sichel nach Osten, als sich das obere Ende mit einem Mal in zwei Teile spaltete. Aus dem Spalt sprang eine flammende Fackel hervor und versprühte über eine große Entfernung Feuer, heiße Kohlen und Funken. Unterdessen bebte der Mond wie in großer Furcht und, um mit den Worten derjenigen zu sprechen, die dies mit eigenen Augen sahen, der Mond wand sich wie eine verwundete Schlange. Das Schauspiel wiederholte sich einige Dutzend mal, und nachdem sich der Mond beruhigt hatte, erschien die Sichel in einem dunklen Licht. Der Schreiber bekam diesen Bericht von Leuten, die dies mit ihren eigenen Augen gesehen haben und bereit sind mit ihrem Eid zu bezeugen, daß sie in obiger Beschreibung keinerlei Zusätze oder Fälschungen gemacht haben."

Ein Screenshot des Astronomieprogramms Guide zeigt die Mondsichel zu jenem Abend von Canterbury aus:

18. Juni 1178

Der Mond befindet sich gegen 20 Uhr UT ca. 18 Grad von der Sonne entfernt, ist etwas mehr als 6 Grad über dem Horizont und ist 1.3 Tage alt.


1976

1976 vermutete der Astronom J.B. Hartung (State University of New York), daß es sich bei der Beschreibung von Gervase um einen Meteoriteneinschlag auf dem Mond handelte, der zufällig beobachtet wurde. In der Tat befindet sich an der "beschriebenen Stelle" (die natürlich nicht wirklich 100%tig genau ist) des Chronisten der Krater Giordano Bruno. Dieser Krater ist nach den Erkenntnissen der Apollomissionen und der Clementine Sonde der jüngste bekannte Krater mindestens dieser Grösse auf dem Mond. Der Krater hat einen Durchmesser von 22 Kilometern und befindet sich auf der uns abgewandten Mondseite bei ca. 103° Ost und 36° Nord.

Vollmond

Giordano Bruno von Apollo 8

Giordano Bruno von Clementine

Der Vollmond von Apollo 8 aus gesehen.
Der Pfeil zeigt auf Giordano Bruno.
Giordano Bruno aus naher
Entfernung von Apollo 8 aus gesehen.
Giordano Bruno
Foto der Raumsonde Clementine

Bilder mit freundlicher Genehmigung der NASA.

Weiter sagte Hartung, daß durch den Meteoritentreffer auch ein leichtes Hin- und Herschwanken des Mondes hervorgerufen wurde. Nach Messungen der NASA mittels Laserreflexion an den von den Apolloastronauten installierten Spezialspiegeln auf der Mondoberfläche pendelt der Mond in der Tat mit einer Periode von 3 Jahren um 3 Meter hin und her (freie Libration).


2001

Im Jahr 2001 hat Paul Withers (University of Arizona) die Theorie Hartungs neu bewertet. Danach hätte es eines mindestens 3 km grossen Meteoriten bedurft um den Krater Giordano Bruno entstehen zu lassen. Bei einem solchen Zusammenstoss wären durch das aufwirbelnde Material ca. 10 Millionen Tonnen Materie auf die Erde herniedergeprasselt. Dies würde einen enormen Meteorschauer hervorrufen. Um einen ungefähre Vorstellung davon zu bekommen mag folgender Vergleich dienen. Wenn das gesamte Material in ein Zentimeter grossen Kugeln die Erdatmosphäre treffen würde, so ergibt das einen Meteorschauer von 50 000 Meteoren pro Stunde über eine Woche lang !

Es gibt allerdings keinerlei Aufzeichnung weltweit über dieses wohl grösste Feuerwerk allerzeiten, das von gut jedem Punkt auf der Erde hätte sichtbar sein müssen. Auch haben die Aufnahmen Mondsonde Clementine gezeigt, daß der Krater Giordano Bruno deutlich älter als 800 Jahre sein muss. Eine aktuelle Erklärung für die freie Libration ist, daß sie durch untermondische Dichteschwankungen hervorgerufen zu werden scheint.  

Bleibt zum Abschluss noch die Frage, was die Herren vor mehr als 800 Jahren beobachtet haben ? Eine mögliche Erklärung wäre, daß sie in der Tat einen relativ grossen Meteoriten (Boliden) beobachtet haben. Dieser traf allerdings die Erdatmosphäre und zerbrach (explodierte) dort in mehrere Einzelteile. Zufälligerweise fand dieser Eintritt und die Explosion des zerberstenden Meteoriten von den Beobachtern aus gesehen exakt vor der Mondsichel statt - was sicher sehr  eindrucksvoll gewesen sein muss.

Solange man keinen Mondkrater mit dem "richtigen Alter" von 800 Jahren findet, ist die Theorie Hartungs sehr fragwürdig.

Aber wer weiss schon, ob es nicht demnächst eine neue Theorie zu den Vorkommnissen aus dem Mittelalter geben wird ? Eine unwiderlegbare These wäre sicher, daß die Jungs damals etwas zu tief ins Glas geschaut haben, aber solche nichtwissenschaftlichen Gedanken wollen wir hier keinen weiteren Nährboden geben...




Quellen
Die Internetadressen waren am 29. Dezember 2001 gültig:

NASA: 
http://science.nasa.gov/headlines/y2001/ast26apr_1.htm
NASA:
http://web99.arc.nasa.gov/impact/news_detail.cfm?ID=27
Astronomie.de:
http://www.astronomie.de/news/0000388.htm
Astronews.com:
http://www.astronews.com/news/artikel/2001/04/0104-024.shtml
Astronomiewelt.de: http://www.astronomiewelt.de/universe676.htm
Eclipse-Live.com:
http://www.eclipse-live.com/mofi2001/curioses.html
Wissenschaft-Online.de:
http://www.wissenschaft-online.de/abo/ticker/572850
Spaceflight Now:
http://www.spaceflightnow.com/news/n0104/19bruno
Guide 7
http://www.projectpluto.com
NASA:
Bilder von Giordano Bruno von Apollo 8 und Clementine

 
 

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